Diskussion

hier finden sich Diskussionen und widerstreitende Positionen

Der Krieg, die Linke und wir

Die Antikriegspraxis lässt derzeit zu wünschen übrig, Was es braucht, ist die Analyse von Ursachen des Krieges sowie Versäumnissen der Linken und die Entwicklung von Strategien, die es schaffen, kommende Kriege zu verhindern. Wir betreiben den Diskussionsblock auf dem wir sporadisch lesenswerte Beiträge setzen. Diese können sich auch widersprechen. Unter dem Blickwinkel einer anarchistsichen Perspektive gegen jeden Krieg könnt Ihr uns auch Sachen zukommen lassen, die Ihr hier gerne sehen würdet.

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2.Nov 2023 Beitrag gefunden auf Indymedia https://de.indymedia.org/node/315273

Es gab es keinen anarchistischen CSD im Jahr 2023 mit unsere Beteiligung. Warum?

Nachdem wir die Gruppe verlassen haben, ist die Struktur ganz zusammen gebrochen. Wir bedauern sehr, dass nicht andere den Raum freigemacht haben, damit wir einen anarchistischen CSD hätten organisieren können. Für dieses Jahr, wie gesagt, gab es keine Initiative von uns. Wir haben dieses Papier Sommer 2023 geschrieben, vor dem Massaker der Hamas und dem Massaker der israelischen Notstandsregierung. Für uns ist der Beitrag aktuell geblieben.

Warum wir die Gruppe verlassen haben.

Es gab mindestens einen politischen Konflikt, den wir nicht lösen konnten. Dieser Konflikt wurde von einigen in der Gruppe immer wieder als persönlicher Konflikt abgetan. Es gab Menschen in der ACSD-Gruppe, die einer antideutschen Agenda folgten, diese aber nicht transparent machten, auch bei Nachfragen nicht. Zu vermuten ist, dass gerade den Deutschen dies selbst nicht richtig bewusst war. Unsere kritischen Nachfragen sind immer wieder ins Leere gelaufen. Mit dieser Haltung aber blockierten sie immer wieder politische Entscheidungen und Dynamik im Sinne eines anarchistischen CSDś. Aus dieser antideutschen Attitüde heraus waren einige nicht Willens oder in der Lage sich auch positiv auf anti-koloniale Kämpfe von Palästinenserinnen zu beziehen – sie witterten stattdessen hinter jeder Position, die sich auch positiv auf Menschen in Palästina bezog den Generalverdacht des Antisemitismus. Unsere Solidarität aber gebührt Menschen, die gegen die Herrschaft in Israel kämpfen, ob gegen reaktionäre Siedlerinnen, Netanjahu oder gegen die Übergriffe auf Palästinenser:innen. Unser Solidarität gehört auch den Palästinenser:innen, die sich gegen die Dominanz der Hamas, der PLO und des Jihad behaupten müssen und ihr Leben riskieren. Unsere Solidarität gehört schwulen, lesbischen, trans Menschen, vor allem wenn sie den Fundamentalismus auf beiden Seiten ablehnen.
Aus dieser Position als Anarchistinnen heraus lehnen auch wir den Nationalismus, den Militarismus und Queerfeindlichenkeiten auf allen Seiten ab. Wir sind vom israelischen Fundamentalisten genauso bedroht wie von palästinensischen Fundamentalisten wie von deutschen Fundamentalisten. Und wie in jedem Konflikt, es sind immer die Armen, die auf beiden Seiten eines militarisierten Konfliktes die Verliererinnen sind.

Diese Auseinandersetzung haben wir uns nicht ausgesucht, sie wurde uns aufgezwungen: Der Palästina-Israel-Konflikt ist ursprünglich durch einen Übergriff auf den ACSD hineingetragen worden. Damit wurde versucht uns eine autoritäre Position aufzuzwingen, wogegen sich der ACSD damals erfolgreich verwahrte. Ein Kritikpapier (siehe link unten am Textende) aber von uns kam zu spät und wurde von einem Teil der ACSD-Gruppe unterlaufen und nicht offensiv verbreitet. So konnte sich das Narrativ, der ACSD wäre antideutsch, unter vielen Leuten, die wir gerne im Boot haben wollten, durchsetzen. Obwohl unser Kritikpapier von allen in der Gruppe und nach zähen Diskussionen verabschiedet wurde, wurde es von einigen nicht getragen. Dadurch wurde der Versuch eine anarchistische Position zum Konflikt Palästina – Israel nach außen zu tragen und fest im ACSD zu verankern unterlaufen. Das macht uns bis heute wütend.
Einige von uns fühlten sich verarscht und hintergangen von diesen Deutschen und ihrem linken Opportunismus antideutschen Positionen gegenüber, weil sie sich in der Frage immer intransparent verhielten und trotzdem gleichzeitig gegen unsere Positionen arbeiteten. Der politische Charakter des ACSD wurde von diesen Leuten vor die Wand gefahren.

Antideutsche sind die Pest! Und ein Teil der Linken hat antideutsche Positionen diskursiv verinnerlicht und identitär verfestigt – mit politischer Infragestellungen kommt man da nicht weiter, weil sich politischer Diskussion meist entzogen wird. Ein positiver Antisemitismus innerhalb der deutschen Linken bedarf einer dringenden Aufarbeitung der aus einem ungeklärten Verhältnis zur Großelterngeneration und deren Mitwirkung am Faschismus herrührt.

Es gab auch elitäre Positionen, die sich (auch) aus akademischen Diskursen ableiteten und diese akademische Herangehensweise zum Massstab der Gruppe machen wollten. Daraus resultierte eine Bevormundung. Andere belehren und politisch dominieren, bzw. Initiativen abzuwürgen, waren das Ergebnis. Dieser Paternalismus kommt aber auch aus einem Gefühl der Überlegenheit, die sich deutsche Linke einbilden. „Dies kann man als Deutscher/in Deutschland so nicht sagen/machen“. Anarchismus ist aber international und auf Deutschland sei geschissen. Für Nichtdeutsche und proletarische Anarchist*innen war so eine Bevormundung nicht akzeptabel.

Und es gab die Position, den politischen Anspruch an einen anarchistischen CSD als Vehikel zu benutzen, um daraus einmal mehr einen Event zu zelebrieren. Das Politische wird sich schon seit Jahren in der queeren Szene oft nur als Kleid übergestreift, um eine Party abzufeiern. Der Versuch von uns, den CSD zu politisieren und proletarischen Positionen mehr Raum zu verschaffen und den CSD in seiner Historie als Riot gegen Staat und Bullengewalt zu radikalisieren und aus der langjährigen Reduzierung auf eine Party herauszuholen, wurde von den Menschen konterkariert,
deren Agieren wir schon als Deutsch und Antideutsch, als akademisch und paternalistisch
beschrieben haben. Hedonismus ohne Inhalt. Ohne Praxis.

Einige Beteiligte an der ACDS-Orga haben einfach keinen Zugang zu anarchistischen Ideen und Ansätzen gehabt und nur eine undefinierte politische Position mitgebracht und waren an Punkten, die wir als Anarchistinnen nicht in Frage stellten, indifferent. Manche schmücken sich damit „Anarchistin“ zu sein, weil es in der Szene gerade angesagt ist und weil sich „autonom“ verstaubt anhört. Wenn wir sagen: gegen jede Herrschaft, dann stimmen alle ein, weil es sich cool anhört. Wenn wir das aber zum Beispiel auf Konfliktfelder praktisch übertragen – wie der aggressiven israelischen Miltär- & Siedlungspolitik, dem Landraub und Vertreibung von Palästinenserinnen, dann kommt die Identitätspolitik plötzlich durch und zermatscht den deutschen Linken das Hirn. Plötzlich ist die Dominanz zum Beispiel israelischen Militärs gegenüber der arabischen Bevölkerung ein Tabu, darüber redet derdie Deutsche nicht, will sie nicht in den Stallgeruch des Antisemitismus geraten will. Dass es diesen gibt ist unbenommen – die AfD ist völkisch und die religiösen Fundamentalisten im arabischen Raum sind patriarchale Dreckschweine. Wenn wir aber in Israel auch Züge eines Apartheidsstaates gegenüber Araber*innen erkennen, reden wir nicht den Fundamentalisten, Antisemiten, Queerhassern und Despoten auf der arabischen Seite das Wort.
Das macht uns wütend bis heute.
Und so ist auch der ACSD vor die Wand gefahren.

Ein weit verbreitetes Problem der deutschen Linken ist allgemein eher in einer Identitätspolitik angekommen zu sein und die Simulation von Widerstand zu betreiben, um sich noch okay zu fühlen, anstatt eine grundsätzlich gegen jede Herrschaft ausgerichtete Politik des Widerstandes, die sich politisch reibt an dem Kommunist*innen und ihren autoritären Modellen, an den Fundamentalisten auf allen Seiten und gegen die Reichen, die wir sowas von satt haben.

Wer aber ein Krümel vom Kuchen will, verhält sich auch so und geht nicht in die Konfrontationen. Zu viele Karrieristinnen und Lügnerinnen in der Szene, die uns sagen wollen, wo es lang geht.

Für uns ist nicht der ACSD als Idee politisch tot, sondern nur eine Gruppe, die dieser politischen Idee nicht gewachsen war. Und Kritik gebührt auch einer Szene, die zu wenig dafür tat, dass diese Idee wachsen kann, die wir mit dem ACSD verbanden. So überließen wir den CSD wieder dem Mainstream einerseits und kommunistischen Strömungen andererseits, die sich an Herrschaftskonzepten – ob kapitalistisch, neoliberal oder orthodox-leninistisch orientieren. Befreiung wird aus dieser Richtung nicht kommen.

Nach wie vor braucht es eine radikale queere anarchistische Organisierung gegen jede Herrschaft, gegen jeden Krieg in der Klassenfragen, Antisexismus und anti-koloniale Positionen selbstverständlich sind und nicht jedes Mal mühsam zusammen gesucht werden müssen. Es geht um einen kulturellen Aufbruch anarchistischer Queers, sozial, radikal, politisch, der sich diesen Scheißzeiten stellt und angreift. Wen? Nazis, Vergewaltiger, Bullen und Staatsorgane, Reiche, Macker, Militarist*innen, trans-& homofeindliche Männern wie Frauen! Und in der nicht einige prekär arbeiten und andere an ihrer Karriere basteln. Das Problem ist nicht der deutsche Pass,
sondern deutsche Interessen zu vertreten. Wir haben keine Lust mehr auf die Lügen und das Taktieren in unseren Reihen. In der stattdessen das Private auch politisch ist, in der die Alltagskämpfe Thema sind, an denen wir uns organisieren wollen. Eine bunte, glitzerfassadene neoliberaler Queerpolitik, die sich unheimlich radikal fühlt wenn sie durch Kreuzberg läuft, aber nicht zuschlägt, wenn wir angegriffen werden, braucht kein Mensch.

Viva la Revolution – es lebe die Anarchie

amor y rabia
Kontakt: amor.y.rabia_36@protonmail.com
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Link zum Text (auch in Englisch) der Kritik an Übergriffe auf den ACSD 2020:
https://acsd.noblogs.org/post/2020/07/08/anarchistischer-christpher-stre…
anarchist-queer-pride-2020-berlin/

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IL Debattenblog https://blog.interventionistische-linke.org/antikriegsbewegung/der-krieg-die-linke-und-wir

Thesenpapier der Initiative Frieden-links: Darum ist die Friedensbewegung nicht “rechtsoffen”

Das einigende Band der Friedensbewegung ist die Kritik an Militarismus undKrieg. Auf dieser Grundlage bietet sie Raum für Menschen in ihrer je eigenen bunten Vielfalt von Haltungen und/oder Überzeugungen, darunter etwa konservative oder kommunistische, christliche oder atheistische, anarchistische, bürgerlich-liberale, ökologische, pazifistische und viele andere mehr. weiterlesen

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Kein Frieden mit Rechten! Gegen Querfront-Bestrebungen innerhalb der Berliner FRIKO und den Schulterschluss mit Rechten in Teilen der Friedensbewegung! von NEA

Die Berliner Friedenskoordination (FRIKO) ist als älteste friedenspolitische Gruppe in Berlin eine politische Instanz. Dadurch genießt die FRIKO das Vertrauen vieler friedensbewegter Menschen und Gruppen in Berlin. Dieses ihr entgegengebrachte Vertrauen nutzt die FRIKO leider in zunehmendem Maße aus und sabotiert damit die Möglichkeit einer breiten Friedensbewegung in Berlin. In Zeiten, in denen politische und gesellschaftliche Brandstifter von AfD über Jürgen Elsässer bis zu übriggebliebenen Querdenker*innen versuchen das Wort „Frieden“ für sich zu vereinnahmen, wäre nichts nötiger als eine friedenspolitische Gruppe, die dieses Wort und seine Verteidiger*innen vor solchen Angriffen schützt. Die FRIKO kommt dieser Aufgabe jedenfalls nicht nach. Das Gegenteil ist der Fall weiterlesen
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Antwort der Friko auf den Brief der NEA
Ja! Kein Frieden mit Rechten!
Das war und ist unumstößliche Grundlage der FRIKO Berlin
und wird es immer sein.


Am 12.3.2023 veröffentlichte die North East Antifa(NEA) auf ihrer Homepage einen Artikel, der am selben Tag auch auf der Plattform von indymedia erschien.
Es ist der zweite Versuch nach der Stellungnahme der VVN-BdA Berlin, die Friedenskoordination Berlin (FRIKO) ins rechte Eck zu stellen.
Wir verstehen das Anliegen einer sich antifaschistisch nennenden Organisation wie der NEA nicht, die Arbeit der FRIKO in verleumderischer Weise zu diskreditieren. Das seit über 40 Jahren agierende Friedensnetzwerk hat seine Wurzeln sowohl in ihrer friedenspolitischen Grundüberzeugung als auch auf einem unverbrüchlichen antifaschistischen Boden.
In einem über 30.000 Zeichen langen Text der NEA wird eine fundierte Recherche suggeriert, dass die FRIKO nicht etwa blind in die Falle von rechten Strukturen tappt, sondern wissentlich ihr lange erworbenes Vertrauen missbraucht, um den Schulterschluss mit extremen Rechten und Faschisten zu schließen.
Dazu werden mehrere Veranstaltungen der FRIKO als Beweis angeführt, bei denen die FRIKO sich, so die NEA, von einer Duldung verschwörungsideologischer Akteure hin zur praktischen Kooperation mit verschwörungsideologischen und rechten Strukturen entwickelt habe.
Dabei nutzt die NEA Halbwahrheiten, Unterstellungen bis hin zu Lügen.
Nur ein paar Beispiele:
Schon im Vorspann wird der Eindruck erweckt, als würde die FRIKO aktiv für ein Zusammengehen mit AfD, Reichbürgern und Neonazis werben. Zur Verstärkung dieser Lüge werden zwei Fotos gepackt, die eine in der Tat rechtsextreme Kundgebung vor dem Reichstag zeigt, an der die FRIKO weder beteiligt war, noch dafür geworben hat.
Laura von Wimmersperg, seit den 80er Jahren verantwortlich für die Veröffentlichungen der FRIKO und seit vielen Jahren als eine der Moderatorinnen tätig, wird persönlich angegriffen, indem ihr u.a. vorgeworfen wird, sich auf Demos im rechten/rechtsoffenen Spektrum zu tummeln und eine Vernetzung mit eben diesen „rechten“ Gruppen anzustreben. Wer diese Gruppen sind, bleibt unbeantwortet.
Weiterhin wird behauptet, Laura von Wimmersperg hätte die Montagsmahnwachenbewegung 2014 unterstützt und schon damals kein Problem mit dem Zusammengehen von Rechts und Links gehabt. Das ist unwahr. NEA stellt sogar die steile Behauptung auf, sie sei aus Protest aufgrund dessen, dass die VVN-BdA sich von einer Kooperation mit rechten Kräften distanzierte, aus der Vereinigung ausgetreten, in der sie aber nie Mitglied war.
Das ist schon etwas mehr als eine Halbwahrheit, sondern eine bewusste Lüge, um die antifaschistische Haltung von Laura von Wimmersperg zu diskreditieren.2
In unqualifizierter Weise werden verschiedene Veranstaltungen der FRIKO aufgeführt, auf denen rechtsoffene/rechte Gruppen und faschistische Akteure geduldet, bzw. sogar eingeladen werden:
Beispiel Ostermarsch 2022:
Die Freien Linken durften sich am OM beteiligen. Ja das stimmt. Trotz intensiver Recherche konnten wir ihnen weder in ihren Schriften, noch in persönlichen Begegnungen, noch in ihren Stellungnahmen rechte bzw. faschistische Motive nachweisen.
1.10.2022: Geplante Zusammenarbeit mit Karl Krökel, der als AfD bzw. ehemaliges AfD-Mitglied (mal so, mal so) bezeichnet wird. Richtig ist, dass er sich 2014 als parteiloser Kandidat von dieser Partei in einem Bezirk Dessaus hat aufstellen lassen, seine Zusammenarbeit aber kurze Zeit später aufkündigte, da er mit den Zielen der Partei nicht übereinstimmte. Seine offizielle Erklärung diesbezüglich, beglaubigt vom Fraktionsvorsitzenden der LINKEN Dessau-Roßlau Ralf Schönemann und
Klaus-Lothar Bebber, vom Vorstand der Kreishandwerkerschaft in Dessau-Roßlau, liegt vor. Für die Rechtslastigkeit der von ihm ins Leben gerufenen Initiative „Handwerker für den Frieden“, liegen auch keine Beweise vor.
Richtig ist auch, dass er Jürgen Elsässer ein Video-Interview gegeben hat, im Nachhinein von Elsässer forderte, dieses zu löschen, da er sich eben nicht von diesem gefeatuert wissen wollte. Die sich drauf beziehende wörtlich zitierte Erklärung von L.v.W. auf der Veranstaltung am 6.11. wird so verknappt wiedergegeben, dass der/die Leser:in den Eindruck gewinnen kann, ein Zusammengehen mit Elsässer fände sie in Ordnung. Dem ist aber nicht so. Im Gegenteil, sie äußert sich im Nachsatz, der vermutlich wohlweislich weggelassen wurde, so, dass eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit Elsässer jeden „verbrennt“, der sich mit Elsässer einlässt. Das ist nicht schlechter
Journalismus, sondern bewusste Irreführung.
5.11.2022: Auf der Demo des Bündnisses „Frieden jetzt“ war Laura von Wimmersperg als Beobachterin, um sich ein Bild zu machen von dem Bündnis, das die FRIKO bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht kannte. Da auf dieser Demo auch der Holocaust-Leugner Reza Begi gesichtet wurde, wird hier eine unzulässige Kontaktschuld konstruiert.
Die nicht weiter erläuterten Zuschreibungen, die die NEA für verschiedene Akteure vornimmt, mit denen die FRIKO in Kontakt stehen soll, oder wirklich steht, mit denen sie redet, oder sich trifft, sind ausschließlich plakativ, stereotyp und inhaltslos, also Geschwurbel (laut Wikipedia: „kein Inhaltsbezug aufgenommen, häufig ist darüber hinausgehend intendiert, einer argumentativen Darlegung für die beabsichtigte Abqualifikation auszuweichen.“ ) und belegen in keinem Fall ihre rechte oder gar
faschistische Ausrichtung:Freie Linke: „Querfront-Gruppe“ oder „verschwörungsideologisch“ oder beides Basis: „rechtsesoterische“ und „antisemitische Partei“ Bündnis für Frieden: dort treffen sich „Querdenker“, verschwörungsideologische und rechte Gruppierungen wie die „Handwerker für den Frieden“.
Mit allen tatsächlich rechten Gruppierungen wie Compact, AfD, Reichsbürger, Zentrum Automobil etc. hat die FRIKO weder Kontakt noch strebt sie eine Zusammenarbeit an. Im Gegenteil, sie lehnt sie strikt ab.
Also: Im gesamten Text der NEA wird nur mit Behauptungen und unspezifischen Zuschreibungen gearbeitet. Zusammenhänge zwischen rechten Strukturen und Akteuren und der FRIKO werden konstruiert, ohne einen einzigen Beweis vorzulegen und es stellt sich die Frage: Warum?
Was beabsichtigt eine sich antifaschistisch nennende Gruppierung mit einer solchen öffentlich ausgetragenen unqualifizierten Schmutzkampagne?
Wir haben darauf keine Antwort, die nicht gleich eine neue Verschwörungstheorie heraufbeschwört: Obwohl: Eine wirkliche Verschwörungstheorie, die eine Verschwörung aufdeckt, ist doch keine Theorie mehr, oder?
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Dieser Krieg endet nicht in der Ukraine


Ausschnitt des Covers der spanischen Originalausgabe von “Esta guerra no termina en Ucrania” von Raúl Sánchez Cedillo.

Argumente für einen konstituierenden Frieden
von Raúl Sánchez Cedillo. Buch-Veröffentlichung und Veranstaltungen.

Wie kann der Schrecken des Ukraine-Krieges analysiert werden, ohne in falsche Vereinfachungen zu verfallen? Und wie könnten die Konturen einer emanzipatorischen Politik in Zeiten eines weltweiten Kriegsregimes aussehen?
Raúl Sánchez Cedillo wagt einen kritischen Vorstoß jenseits gängiger Vereinfachungen.
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist die Ukraine unaufhörlichen Verwüstungen ausgesetzt. Mit dem Angriffskrieg Russlands erfährt diese Leidensgeschichte seit Februar 2022 eine grausame Fortschreibung, die globale Auswirkungen hat. Sánchez Cedillo durchmisst das Völkerrecht, die globale Ökonomie und den postsowjetischen Raum, aber auch die Europapolitik und die Verbindung von Krieg und Klimakrise. 

Dieser Krieg endet nicht in der Ukraine soll Anstoß geben für die längst überfällige Debatte, wie eine zeitgemäße Anti-Kriegs-Position aussehen kann. Der Autor plädiert dafür, dass “Frieden” in einer von zahllosen Krisen verwüsteten Welt nicht ohne eine soziale und ökologische Umkehr denkbar ist. Anstelle einer Parteinahme für eine Kriegspartei stellt Cedillo die Versuche, eine andere Gesellschaft und neue Institutionen zu schaffen, in den Mittelpunkt seiner politischen Perspektive. Gegen die allgegenwärtige Militarisierung streitet Sánchez Cedillo für ein sozialökologisch Gemeinsames, für eine demokratische Macht von unten und einen konstituierenden Frieden.
Mit Vorworten von Katja Maurer, medico international, und Pablo Iglesias
Aus dem Spanischen von Michael Grieder
Buchankündigung beim Verlag transversal texts
transversal texts
ISBN 978-3-903046-36-8
ca. 380 Seiten, broschiert, € 20,00

Kostenloser Download
pdf (2,2 MB)
epub (920,8 KB)
https://www.medico.de/typo3conf/ext/medico_package2/Resources/Public/Images/medico-logo.png
https://www.medico.de/dieser-krieg-endet-nicht-in-der-ukraine-18943

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Es kann nur eins gelten: Krieg dem Kriege!


Hat der russische Überfall auf die Ukraine der Linken das Genick gebrochen?

Hat der russische Überfall auf die Ukraine der Linken das Genick gebrochen? Dass das so sei, behauptet der spanische Buchautor Raúl Sánchez Cedillo (»Der Krieg endet nicht in der Ukraine«) in einem in der österreichischen Zeitschrift »Tagebuch« (Dezemberausgabe) dokumentierten Gespräch mit dem Mitbegründer und ehemaligen Generalsekretär der spanische Linkspartei Podemos, Pablo Iglesias. Vieles spricht dafür, dass es stimmt. Wenig wirklich Konstruktives hört man über Ursachen, Gründe und Überwindung. nd-aktuell.de

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Moralische Mobilmachung


Die allgegenwärtige Moralisierung der Politik schwächt Kritik und Opposition
von Mario Neumann

„Wir befinden uns im Krieg. Wie ich Ihnen am Donnerstag sagte, haben wir Europäer heute Morgen eine gemeinsame Entscheidung getroffen, um uns zu schützen.“ Das sind die Worte des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Sie stammen allerdings nicht aus dem Jahr 2022, sondern aus einer Fernsehansprache zu den großflächigen Corona-Maßnahmen Frankreichs im März 2020. Die Kriegsmetapher durchzieht in permanenter Wiederholung die bald drei Jahre alte Grundsatzrede. Nicht eine demokratische Idee gesundheitlicher Versorgung und Fürsorge sollte es richten, sondern die polizeilich-militärische Mobilmachung der Gesellschaft zur Bekämpfung eines äußeren Feindes. „Wir befinden uns im Krieg, zugegebenermaßen in einem Gesundheitskrieg: Wir kämpfen weder gegen eine Armee noch gegen eine andere Nation. Aber der Feind ist da, unsichtbar, nicht greifbar, auf dem Vormarsch. Und das erfordert unsere allgemeine Mobilisierung“, so Macron. medico.de

Buchcover: “Spezialoperation und Frieden. Die russische Linke gegen den Krieg”, Hrsg.  Ewgeniy Kasakow, Münster: Unrast Verlag, 2022. (248 Seiten, Soft Cover, ISBN: 978-3-89771-194-5, 16,00 Euro)
Bildrechte: © Unrast Verlag

Momentaufnahmen eines unsichtbaren Russlands

Ewgeniy Kasakow, Wissenschaftler des Deutschen Auswandererhauses, gibt Sammelband zur russischen linken Opposition in Zeiten des Ukraine-Kriegs heraus

Nach dem Beginn der russischen Invasion in die Ukraine am 24. Februar 2022 wurden bei Anti-Kriegs-Protesten 13.000 Menschen in Russland festgenommen. Nach knapp einem Jahr Berichterstattung wird deutlich: Die mediale Wahrnehmung der russischen Opposition hierzulande ist auf die liberale Strömung beschränkt und hat eine Vielzahl an Leerstellen. Die selten gehörten Stimmen zum Krieg in der Ukraine – in ihrer Diversität, Vielzahl und auch ihrer Widersprüchlichkeit zueinander – dokumentiert das Buchprojekt „Spezialoperation und Frieden. Die russische Linke gegen den Krieg“, das seit Dezember 2022 im Buchhandel erhältlich ist. Herausgeber der Textsammlung ist der wissenschaftliche Mitarbeiter des Deutschen Auswandererhauses Dr. Ewgeniy Kasakow.

Von analytischen Texten gerahmt, versammelt das Buch Interviews und Originaldokumente wie Aufsätze und Reden. Die Kapitel orientieren sich an dem breiten Spektrum der russischen Linken – von Gewerkschafter:innen über demokratische Sozialist:innen bis hin zu Feminist:innen und kriegskritischen Teilen der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation, der größten legalen Opposition. Zu Wort kommen Aktivist:innen, Autor:innen, Mandatsträger:innen sowie Menschen aus der russischen Diaspora in der Bundesrepublik. Sie äußern sich zum Krieg selbst, zu Perspektiven für die Zeit nach Putin, zum NATO-Engagement und zu humanitären Fragen wie Sanktionen und Flucht.

Dabei sollen, im Sinne des Herausgebers Ewgeniy Kasakow, „[d]ie Diversität der Akteur:innen und Positionen zur russischen Ukraine-Politik seit 2014 sichtbar werden und interessierten Leser:innen ein tiefer Einblick in die politischen Debatten rund um das Thema, mit seiner komplexen langwierigen Geschichte, ermöglicht werden.“

Ewgeniy Kasakow wurde 1982 in Moskau geboren und studierte Kulturgeschichte Osteuropas, Philosophie und Geschichte in Bremen, wo er 2017 promovierte. Seit 2020 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter im Deutschen Auswandererhaus, wo er insbesondere zu osteuropäischer Migrationsgeschichte arbeitet.

https://dah-bremerhaven.de/press/spezialoperation-und-frieden/

Die Linke Russlands ist seit 2014 in ihrer Haltung zur Ukraine tief gespalten. Während die Führung der Kommunistischen Partei (KPRF) Putins Kurs unterstützt, schlossen sich viele linke Gruppen und Aktivist*innen der Protestbewegung an. “Spezialoperation und Frieden” versucht, die gesamte Bandbreite der Positionen der russischen Linken zum Krieg, zur russischen Invasionspolitik, dem NATO-Engagement, der humanitären Krise sowie den Themen Flucht und Sanktionen abzubilden. Das Spektrum reicht dabei von oppositionellen KPRF-Mitgliedern, Sozialdemokratie und Linkssozialismus über kleinere stalinistische und trotzkistische Parteien, Anarchist*innen, Gewerkschaftsaktivist*innen und Feministinnen bis hin zu Hochschuldozent*innen und Autor*innen der Diaspora.

Das Buch enthält Originaldokumente und Interviews, die durch einführende und analysierende Texte des Herausgebers gerahmt werden, die den gesamtgesellschaftlichen Kontext herstellen und die Situation der linken Kräfte in Putins Russland insgesamt fokussieren.
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Ukraine – Knoten der Transformation
Kai Ehlers

Nach Angaben des kürzlich veröffentlichten „Konfliktbarometers 2020“ des Heidelberger Instituts für Internationale Konfliktforschung (HIIK) ist die Zahl der Kriege in den zurückliegenden Jahren weltweit von fünfzehn auf zweiundzwanzig angestiegen. Der neueste Krieg wird zurzeit in der Ukraine ausgetragen. Er hat die Anlagen sich zu einem Weltbrand auszuweiten. Warum ist das so? Warum gerade die Ukraine? Gibt es keine Alternative? Kai Ehlers

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Debatte: Krise der radikalen Linken

Ob Corona, Klima oder der Krieg in der Ukraine:

Die radikale Linke scheint von den Vielfachkrisen des Neoliberalismus überwältigt worden zu sein und steht mittlerweile weitgehend bewegungslos neben ihnen. Obwohl in einzelnen Teilbewegungen noch Aktivität zu vernehmen ist, und Klimastreiks Millionen Menschen auf die Straße bringen, steht es schlecht um die radikale Linke in der BRD.

Nach anfänglichem Streit um Waffenlieferungen wird zum Krieg geschwiegen…

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Bewegungslinke, Anarchismus und (Anti-)Politik

Jonathan Eibisch argumentiert für ein bewusstes Einmischen organisierter Anarchist*innen in die Bewegungslinke. Die anarchistische Ideen der (Anti-)Politik soll so ein stärkeres Gewicht in der strategischen Debatte erhalten. Außerdem gibt er einen interessanten Überblick hinsichtlich anarchistischer Gedanken und Kritiken an der Bewegungslinken...

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Jürgen Habermas über die Ukraine
Ein Plädoyer für Verhandlungen

Die Entscheidung über die Lieferung von Leopard-Panzern war soeben als „historisch“ begrüßt worden, schon wurde die Nachricht von lautstarken Forderungen nach Kampfflugzeugen, Langstreckenraketen, Kriegsschiffen und U-Booten überboten – und relativiert. Die ebenso dramatischen wie verständlichen Hilferufe einer völkerrechtswidrig überfallenen Ukraine fanden im Westen ihr erwartbares Echo. Neu war hier nur die Beschleunigung des bekannten Spiels der moralisch entrüsteten Rufe nach schlagkräftigeren Waffen und dem daraufhin, wenn auch nach Zögern, immer wieder vollzogenen upgrading der zugesagten Waffentypen.
Auch aus Kreisen der SPD hörte man nun, dass es keine „roten Linien“ gebe. Bis auf den Bundeskanzler und dessen Umgebung nehmen sich Regierung, Parteien und Presse beinahe geschlossen die beschwörenden Worte des litauischen Außenministers zu Herzen: „Wir müssen die Angst davor überwinden, Russland besiegen zu wollen.“ Aus der unbestimmten Perspektive eines „Sieges“, der alles Mögliche heißen kann, soll sich jede weitere Diskussion über das Ziel unseres militärischen Beistandes – und über den Weg dahin – erledigen. So scheint der Prozess der Aufrüstung eine eigene Dynamik anzunehmen, zwar angestoßen durch das nur zu verständliche Drängen der ukrainischen Regierung, aber bei uns angetrieben durch den bellizistischen Tenor einer geballten veröffentlichten Meinung, in der das Zögern und die Reflexion der Hälfte der deutschen Bevölkerung nicht zu Worte kommen. Oder doch nicht ganz?
Inzwischen tauchen nachdenkliche Stimmen auf, die nicht nur die Haltung des Kanzlers verteidigen, sondern auch auf ein öffentliches Nachdenken über den schwierigen Weg zu Verhandlungen drängen. Wenn ich mich diesen Stimmen anschließe, dann gerade weil der Satz richtig ist: Die Ukraine darf den Krieg nicht verlieren! Mir geht es um den vorbeugenden Charakter von rechtzeitigen Verhandlungen, die verhindern, dass ein langer Krieg noch mehr Menschenleben und Zerstörungen fordert und uns am Ende vor eine ausweglose Wahl stellt: entweder aktiv in den Krieg einzugreifen oder, um nicht den ersten Weltkrieg unter nuklear bewaffneten Mächten auszulösen, die Ukraine ihrem Schicksal zu überlassen.
Der Krieg zieht sich hin, die Zahl der Opfer und der Umfang der Zerstörungen schwellen an. Soll nun die Eigendynamik unserer aus guten Gründen geleisteten militärischen Hilfe ihren defensiven Charakter abstreifen, weil nur ein Sieg über Putin das Ziel sein kann? Das offizielle Washington und die Regierungen der anderen Nato-Mitgliedstaaten waren sich von Anbeginn einig, vor dem point of no return – dem Kriegseintritt – haltzumachen
Das offensichtlich strategisch und nicht nur technisch begründete Zögern, auf das Bundeskanzler Scholz beim amerikanischen Präsidenten schon an der Schwelle der Lieferung von Kampfpanzern gestoßen ist, hat diese Prämisse des westlichen Beistandes für die Ukraine noch einmal bestätigt. Bisher richtete sich die Sorge des Westens auf das Problem, dass es allein in der Hand der russischen Führung liegt zu definieren, ab wann diese das Ausmaß und die Qualität westlicher Waffenlieferungen als Kriegseintritt betrachtet.
Aber seitdem sich auch China zur Ächtung des Einsatzes von ABC-Waffen bekannt hat, ist diese Sorge in den Hintergrund gerückt. Deshalb sollten sich die westlichen Regierungen lieber mit der Verschiebung dieses Problems beschäftigen. Aus der Perspektive eines Sieges um jeden Preis hat die Qualitätssteigerung unserer Waffenlieferungen eine Eigendynamik entwickelt, die uns mehr oder weniger unbemerkt über die Schwelle zu einem dritten Weltkrieg hinaustreiben könnte. Man sollte deshalb jetzt „nicht jede Debatte darüber, wann Parteilichkeit tatsächlich in Parteisein umschlagen könnte, mit dem Argument tottreten, dass man allein schon durch so eine Debatte das Geschäft Russlands besorge“. (Kurt Kister im Feuilleton der SZ vom 11./12. Februar 2023.)
Nur die Ukraine kann über die Möglichkeiten von Verhandlungen entscheiden? Das ist inkonsistent und verantwortungslos
Das Schlafwandeln am Rande des Abgrundes wird vor allem deshalb zu einer realen Gefahr, weil die westliche Allianz der Ukraine nicht nur den Rücken stärkt, sondern unermüdlich versichert, dass sie die ukrainische Regierung so „lange wie nötig“ unterstützt und dass die ukrainische Regierung allein über Zeitpunkt und Ziel möglicher Verhandlungen entscheiden kann. Diese Beteuerung soll den Gegner entmutigen, aber sie ist inkonsistent und verschleiert Differenzen, die auf der Hand liegen. Vor allem kann sie uns selbst über die Notwendigkeit täuschen, eigene Initiativen für Verhandlungen zu ergreifen.
Einerseits ist es trivial, dass nur eine am Krieg beteiligte Partei über ihr Kriegsziel und gegebenenfalls über den Zeitpunkt von Verhandlungen bestimmen kann. Andererseits hängt es auch von der Unterstützung des Westens ab, wie lange die Ukraine überhaupt durchhalten kann.
Der Westen hat eigene legitime Interessen und eigene Verpflichtungen. So operieren die westlichen Regierungen in einem weiteren geopolitischen Umkreis und müssen andere Interessen berücksichtigen als die Ukraine in diesem Krieg; sie haben rechtliche Verpflichtungen gegenüber den Sicherheitsbedürfnissen der eigenen Bürger und tragen auch, ganz unabhängig von den Einstellungen der ukrainischen Bevölkerung, eine moralische Mitverantwortung für Opfer und Zerstörungen, die mit Waffen aus dem Westen verursacht werden; daher können sie auch die Verantwortung für die brutalen Folgen einer nur dank ihrer militärischen Unterstützung möglichen Verlängerung des Kampfgeschehens nicht auf die ukrainische Regierung abwälzen.
Dass der Westen wichtige Entscheidungen selber treffen und verantworten muss, zeigt sich auch an jener Situation, die er am meisten fürchten muss – nämlich die erwähnte Situation, in der ihn eine Überlegenheit der russischen Streitkräfte vor die Alternative stellen würde, entweder einzuknicken oder zur Kriegspartei zu werden.
Fatal ist, dass der Unterschied zwischen „nicht verlieren“ und „siegen“ nicht begrifflich geklärt ist
Auch aus näherliegenden Gründen wie der Erschöpfung von personellen Reserven und kriegsnotwendigen materiellen Ressourcen drängt die Zeit zu Verhandlungen. Der Zeitfaktor spielt ebenso für die Überzeugungen und Dispositionen in der Breite der westlichen Bevölkerungen eine Rolle. Dabei ist es zu einfach, die Positionen in der strittigen Frage des Zeitpunkts von Verhandlungen auf den schlichten Gegensatz von Moral und Selbstinteresse zurückzuführen. Es sind vor allem moralische Gründe, die auf ein Ende des Krieges drängen.

So hat die Dauer des Kriegsgeschehens Einfluss auf die Perspektiven, aus der die Bevölkerungen dieses Geschehen wahrnehmen. Je länger ein Krieg dauert, umso stärker drängt sich die Wahrnehmung der insbesondere in modernen Kriegen explodierenden Gewalt auf und bestimmt die Sicht auf das Verhältnis von Krieg und Frieden überhaupt. Mich interessieren diese Sichtweisen im Hinblick auf die in der Bundesrepublik allmählich einsetzende Diskussion über Sinn und Möglichkeit von Friedensverhandlungen.
Zwei Perspektiven, aus denen wir Kriege wahrnehmen und bewerten, haben bei uns schon zu Beginn des Ukrainekrieges in dem Streit über zwei vage, aber konkurrierende sprachliche Formulierungen des Kriegszieles ihren Ausdruck gefunden: Ist es das Ziel unserer Waffenlieferungen, dass die Ukraine den Krieg „nicht verlieren“ darf, oder zielen diese nicht vielmehr auf einen „Sieg“ über Russland?
Dieser begrifflich ungeklärte Unterschied hat zunächst mit einer Parteinahme für oder gegen Pazifismus wenig zu tun. Zwar hat die am Ende des 19. Jahrhunderts aufkommende pazifistische Bewegung die Gewaltdimension von Kriegen politisiert, aber das eigentliche Thema ist dabei nicht die schrittweise Überwindung von Kriegen als Mittel der Beilegung internationaler Konflikte, sondern die Weigerung, überhaupt Waffen in die Hand zu nehmen. Insoweit spielt der Pazifismus keine Rolle für jene beiden Perspektiven, die sich nach der Gewichtung der Kriegsopfer voneinander differenzieren.
Das ist wichtig, weil die rhetorische Nuancierung zwischen den Ausdrücken, den Krieg „nicht zu verlieren“ oder „zu gewinnen“, nicht schon Pazifisten von Nicht-Pazifisten trennt. Heute charakterisiert sie nämlich auch Gegensätze innerhalb jenes politischen Lagers, das die westliche Allianz nicht nur für berechtigt, sondern für politisch verpflichtet hält, der Ukraine in ihrem mutigen Kampf gegen den völkerrechtswidrigen, ja kriminell geführten Angriff auf Existenz und Unabhängigkeit eines souveränen Staates mit Waffenlieferungen, logistischer Unterstützung und zivilen Leistungen beizustehen.
Seit Monaten ist der Frontverlauf eingefroren. Es erinnert an die Westfront im Jahre 1916

Diese Parteinahme ist mit Sympathie für das Leidensschicksal einer Bevölkerung verbunden, die nach vielen Jahrhunderten polnischer und russischer, auch österreichischer Fremdherrschaft erst mit dem Untergang der Sowjetunion ihre staatliche Unabhängigkeit errungen hat. Die Ukraine ist unter den verspäteten europäischen Nationen die allerspäteste. Sie ist wohl immer noch eine Nation im Werden.Aber auch in dem breiten Lager der parteinehmenden Unterstützer der Ukraine scheiden sich die Geister gegenwärtig im Hinblick auf den richtigen Zeitpunkt für Friedensverhandlungen. Die eine Seite identifiziert sich mit der Forderung der ukrainischen Regierung nach einer schwellenlos anwachsenden militärischen Unterstützung, um Russland zu besiegen und damit die territoriale Integrität des Landes einschließlich der Krim wiederherzustellen. Der andere Teil möchte die Versuche forcieren, einen Waffenstillstand und Verhandlungen herbeizuführen, die mindestens mit der Wiederherstellung des status quo ante vom 23. Februar 2022 eine mögliche Niederlage abwenden. In diesem Für und Wider spiegeln sich historische Erfahrungen.
Es ist kein Zufall, dass dieser schwelende Konflikt jetzt auf Klärung drängt. Seit Monaten ist der Frontverlauf eingefroren. Unter dem Titel „Der Abnutzungskrieg begünstigt Russland“ berichtet beispielsweise die FAZ über den für beide Seiten verlustreichen Stellungskrieg um Bachmut im Norden des Donbass und zitiert die erschütternde Aussage eines leitenden Nato-Funktionärs: „Es sieht dort aus wie in Verdun.“ Vergleiche mit dieser grauenhaften, der längsten und verlustreichsten Schlacht des Ersten Weltkrieges haben mit dem Ukrainekrieg nur entfernt und nur insofern etwas zu tun, als ein anhaltender Stellungskrieg ohne größere Veränderungen des Frontverlaufs gegenüber dem „sinngebenden“ politischen Ziel des Krieges vor allem das Leiden seiner Opfer zu Bewusstsein bringt. Der erschütternde Frontbericht von Sonja Zekri, der seine Sympathien nicht verhehlt, aber auch nichts beschönigt, erinnert tatsächlich an Darstellungen des Grauens an der Westfront von 1916. Soldaten, „die sich an die Kehle gehen“, Berge von Toten und Verwundeten, die Trümmer von Wohnhäusern, Kliniken und Schulen, also die Auslöschung eines zivilisierten Lebens – darin spiegelt sich der destruktive Kern des Krieges, der die Aussage unserer Außenministerin, dass wir „mit unseren Waffen Leben retten“, doch in ein anderes Licht rückt.
In dem Maße, wie sich die Opfer und Zerstörungen des Krieges als solche aufdrängen, tritt die andere Seite des Krieges in den Vordergrund – er ist dann nicht nur Mittel der Verteidigung gegen einen skrupellosen Angreifer; im Verlaufe selbst wird das Kriegsgeschehen als die zermalmende Gewalt erfahren, die so schnell wie möglich aufhören sollte. Und je mehr sich die Gewichte vom einen zum anderen Aspekt verschieben, umso deutlicher drängt sich dieses Nichtseinsollen des Krieges auf. In Kriegen hat sich mit dem Wunsch nach der Überwindung des Gegners immer auch der Wunsch nach dem Ende von Tod und Zerstörung verbunden. Und in dem Maße, wie mit der Stärke der Waffen auch die „Verheerungen“ zugenommen haben, haben sich auch die Gewichte dieser beiden Aspekte verschoben.
Auch der Westen darf niemals vergessen, was er hier an Opfern für ein legitimes Ziel in Kauf nimmt
Infolge der barbarischen Erfahrungen der beiden Weltkriege und der Nervenanspannung des Kalten Krieges hatte sich während des vergangenen Jahrhunderts in den Köpfen der betroffenen Bevölkerungen allgemein eine latente Begriffsverschiebung vollzogen. Sie hatten aus ihren Erfahrungen oft unbewusst die Konsequenz gezogen, dass Kriege – dieser bis dahin selbstverständliche Modus der Austragung und Lösung internationaler Konflikte – mit den Maßstäben eines zivilisierten Zusammenlebens schlechthin unvereinbar sind.
Der Gewaltcharakter des Krieges hatte gewissermaßen die Aura seiner Naturwüchsigkeit verloren. Diese in der Breite vollzogene Bewusstseinsänderung hat auch in der Rechtsentwicklung Spuren hinterlassen. Schon das humanitäre Kriegsstrafrecht war der nicht sehr erfolgreiche Versuch gewesen, die Gewaltausübung im Kriege zu zähmen. Aber am Ende des Zweiten Weltkrieges sollte die Gewalt des Krieges selbst mit Mitteln des Rechts pazifiziert und durch Recht als dem einzigen Modus der zwischenstaatlichen Konfliktbeilegung abgelöst werden. Die am 24. Oktober 1945 in Kraft getretene Charta der Vereinten Nationen und die Einrichtung des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag haben das Völkerrecht revolutioniert. Artikel 2 verpflichtet alle Staaten dazu, ihre internationalen Streitigkeiten durch friedliche Mittel beizulegen. Es war die Erschütterung über die Gewaltexzesse des Krieges, aus der diese Revolution geboren worden ist.
In den literarisch bewegenden Worten der Präambel spiegelt sich das Grauen im Anblick der Opfer des Zweiten Weltkriegs. Kernsatz ist der Aufruf, „unsere Kräfte zu vereinen, um…Verfahren einzuführen, die gewährleisten, dass Waffengewalt nur noch im gemeinsamen Interesse angewendet wird“ – also im völkerrechtlich ausbuchstabierten Interesse der Bürger aller Staaten und aller Gesellschaften dieser Welt. Diese Rücksicht auf die Opfer des Krieges erklärt einerseits die Abschaffung des ius ad bellum, also des ominösen „Rechts“ des souveränen Staates, nach Belieben Krieg zu führen; aber auch die Tatsache, dass die ethisch begründete Lehre vom gerechten Krieg keineswegs erneuert, sondern bis auf das Selbstverteidigungsrecht des Angegriffenen abgeschafft worden ist. Die vielfältigen in Kapitel VII aufgeführten Maßnahmen gegen Angriffshandlungen richten sich gegen den Krieg als solchen, und dies allein in der Sprache des Rechts. Denn dazu reicht der moralische Gehalt aus, der dem modernen Völkerrecht selbst innewohnt.
Im Lichte dieser Entwicklung habe ich die Formel verstanden, dass die Ukraine „den Krieg nicht verlieren darf“. Denn aus dem Moment der Zurückhaltung lese ich die Warnung heraus, dass auch der Westen, der der Ukraine die Fortsetzung des Kampfes gegen einen kriminellen Aggressor ermöglicht, weder die Zahl der Opfer noch das Risiko, dem die möglichen Opfer ausgesetzt sind, noch das Ausmaß der tatsächlichen und potenziellen Zerstörungen vergessen darf, die für das legitime Ziel schweren Herzens in Kauf genommen werden. Von dieser Abwägung der Verhältnismäßigkeit ist auch der selbstloseste Unterstützer nicht entlastet.
Die zögernde Formulierung, „nicht verlieren“ zu dürfen, stellt eine Freund-Feind-Perspektive infrage, die die bellizistische Lösung internationaler Konflikte auch noch im 21. Jahrhundert für „natürlich“ und alternativlos hält. Ein Krieg, und der von Putin vom Zaune gebrochene Krieg erst recht, ist das Symptom eines Rückfalls hinter den historischen Stand eines zivilisierten Umgangs der Mächte miteinander – vor allem unter Mächten, die aus den beiden Weltkriegen ihre Lektion haben lernen können. Wenn der Ausbruch bewaffneter Konflikte nicht durch schmerzhafte, auch für die Verteidiger des gebrochenen internationalen Rechts selbst schmerzhafte Sanktionen verhindert werden kann, ist die gebotene Alternative – gegenüber einer Fortsetzung des Krieges mit immer mehr Opfern – die Suche nach erträglichen Kompromissen.
Der Fehler der Allianz war, den Aggressor Russland von Anfang an über das finale Ziel der Unterstützung im Unklaren zu lassen
Der Einwand liegt auf der Hand: Es gibt einstweilen kein Anzeichen dafür, dass sich Putin auf Verhandlungen einlassen würde. Muss er nicht schon aus diesem Grunde militärisch zum Einlenken gezwungen werden? Zudem hat er Entscheidungen getroffen, die die Aufnahme von aussichtsreichen Verhandlungen fast unmöglich machen. Denn mit der Annexion der östlichen Provinzen der Ukraine hat er Fakten geschaffen und Ansprüche zementiert, die für die Ukraine nicht akzeptabel sind.
Andererseits war dies vielleicht eine, wie auch immer unkluge, Antwort auf den Fehler der westlichen Allianz, Russland von Anbeginn über das Ziel ihrer militärischen Unterstützung vorsätzlich im Unklaren zu lassen. Denn das ließ die für Putin unannehmbare Aussicht auf einen regime change offen. Demgegenüber hätte das erklärte Ziel der Wiederherstellung des status quo ante vom 23. Februar 2022 den späteren Weg zu Verhandlungen erleichtert. Aber beide Seiten wollten sich gegenseitig dadurch entmutigen, dass sie weitgesteckte und anscheinend unverrückbare Pflöcke einschlagen. Das sind keine vielversprechenden Voraussetzungen, aber auch keine aussichtslosen.
Denn abgesehen von den Menschenleben, die der Krieg mit jedem weiteren Tag fordert, steigen die Kosten an materiellen Ressourcen, die nicht in beliebigem Umfang ersetzt werden können. Und für die Regierung Biden tickt die Uhr. Schon dieser Gedanke müsste uns nahelegen, auf energische Versuche zu drängen, Verhandlungen zu beginnen und nach einer Kompromisslösung zu suchen, die der russischen Seite keinen über die Zeit vor dem Kriegsbeginn hinausreichenden territorialen Gewinn beschert und doch ihr Gesicht zu wahren erlaubt.
Abgesehen davon, dass westliche Regierungschefs wie Scholz und Macron telefonische Kontakte mit Putin aufrechterhalten, kann auch die in dieser Frage anscheinend gespaltene US-Regierung die formale Rolle eines Unbeteiligten nicht aufrechterhalten. Ein haltbares Verhandlungsergebnis kann nicht ohne die USA in den Kontext von weitreichenden Vereinbarungen eingebettet werden. Daran sind beide kriegführenden Parteien interessiert. Das gilt für Sicherheitsgarantien, die der Westen für die Ukraine gewährleisten muss. Aber auch für das Prinzip, dass die Umwälzung eines autoritären Regimes nur insoweit glaubwürdig und stabil ist, wie sie aus der jeweils eigenen Bevölkerung selbst hervorgeht, also von innen getragen wird.
Der Krieg hat überhaupt die Aufmerksamkeit auf einen akuten Regelungsbedarf in der ganzen mittel- und osteuropäischen Region gerichtet, der über die Streitobjekte der Kriegsparteien hinausreicht. Der Osteuropa-Experte Hans-Henning Schröder, ehemaliger Direktor des Deutschen Instituts für internationale Politik und Sicherheit in Berlin, hat (in der FAZ vom 24. Januar 2023) auf die Abrüstungsvereinbarungen und ökonomischen Rahmenbedingungen hingewiesen, ohne die keine Vereinbarung zwischen den unmittelbar Beteiligten stabilisiert werden kann. Schon die Bereitschaft der USA, sich auf solche Verhandlungen von geopolitischer Reichweite einzulassen, könnte sich Putin zugutehalten.
Gerade weil der Konflikt ein umfassenderes Interessengeflecht berührt, ist nicht von vornherein auszuschließen, dass auch für die einstweilen einander diametral entgegengesetzten Forderungen ein für beide Seiten gesichtswahrender Kompromiss gefunden werden könnte.

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