Aktivitäten für Deserteure und Verweigerer aus Russland, Belarus und Ukraine
Ein Bericht von Connection e.V.
(22.04.2022) Aus der Ukraine, aus Russland und Belarus gibt es Berichte über Desertionen, Militärdienstentziehungen und Verweigerung.
Die Soldatenmütter St. Petersburg hatten deutlich darauf hingewiesen, dass es die Möglichkeit gibt, den Dienst zu verweigern. Nash Dom, eine nun in Litauen ansässige Organisation aus Belarus, rief belarussische Männer auf, sich den Rekrutierungen zu entziehen. Diesem Aufruf sind bereits Hunderte gefolgt. Und auch in der Ukraine gibt es Männer und Frauen, die sich nicht am Krieg beteiligen wollen.
Unsere Solidarität und Unterstützung gilt allen, die sich dem Kriegseinsatz verweigern oder desertieren. Sie müssen geschützt werden. Unsere Solidarität und Unterstützung gilt auch allen, die auf welcher Seite auch immer gegen den Krieg aufstehen, zivilen Widerstand leisten und das sofortige Ende des Krieges einfordern.
Wir haben daher verschiedene Aktivitäten initiiert und Projekte umgesetzt:
Unsere Aktivitäten und Projekte
Beratungshotline: Mitte März 2022 konnten wir eine Beratungshotline eröffnen und dies insbesondere über die Sozialen Medien bekannt machen. Über die Beratungshotline und eMail-Adresse ist eine Person erreichbar, die Fragen von betroffenen Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren in Russisch, Englisch und Deutsch beantworten kann. Mehr unter https://www.facebook.com/Connection-eV-108628108449040/.
Kurzinfos für unzufriedene Soldaten: Zugleich haben wir Kurzinfos für unzufriedene Soldaten und Soldatinnen aus Belarus, Russland und der Ukraine in Deutsch, Englisch und Russisch zur Verfügung gestellt. Diese beinhalten Informationen, wie in den jeweiligen Ländern das Recht auf Kriegsdienstverweigerung organisiert ist, welche Möglichkeiten es gibt, sich den Rekrutierungen zu entziehen und Hinweise, was bei einer Asylantragstellung im westeuropäischen Ausland zu beachten ist. Mehr dazu unter https://de.Connection-eV.org/get.out.2022.
Unterstützung des Projekts „No Means No“: Die in Litauen ansässige belarussische Organisation Nash Dom hatte Männer zur Verweigerung aufgerufen und berichtete, dass bereits mehrere Tausend ins Ausland geflohen sind. Wir konnten ihr Projekt „No Means No“ mit 6.000 € finanziell unterstützen. Sie wollen damit ein Anlaufzentrum aufbauen, Beratungsstellen einrichten und die Verweigerer juristisch in den Asylverfahren unterstützen. Mehr unter https://de.connection-ev.org/article-3505.
Unterstützung der Ukrainian Pacifist Movement: Die in der Ukraine aktive Gruppe, die auch intensiv Kriegsdienstverweigerer betreut, konnte ebenfalls bereits von uns finanziell mit einigen Tausend Euro unterstützt werden.
Unterstützung der Bewegung für Kriegsdienstverweigerung in Russland: Wir haben intensiven Kontakt mit der Bewegung für Kriegsdienstverweigerung in Russland. Derzeit klären wir, wie wir sie auch finanziell unterstützen können.
Dienstverweigerung russischer Soldaten in der Ukraine
Schon am ersten Kriegstag, am 24. Februar, verweigerten 60 Fallschirmjäger aus Pskow, die in Belarus stationiert waren, die Teilnahme am Krieg in der Ukraine. Die Einheit wurde daraufhin nach Pskow in Russland zurückbeordert und Teile der Gruppe wurden wegen „Fahnenflucht“ angeklagt. Die anderen wurden entlassen.
Korrespondenz aus Esslingen
Das berichtete die russische Zeitung Pskowskaja Gubernija („Das Pskower Gouvernement“) am 7. April. Die Pskowskaja Gubernija und andere Quellen berichten über weitere Beispiele von Dienstverweigerung:
- 300 Soldaten aus Südossetien haben sich geweigert, in der Ukraine zu kämpfen und sind nach Hause zurückgekehrt, so der ossetische Blogger Alik Pukhati. Die Rückkehr wurde vom ehemaligen Präsidenten der Republik, Eduard Kokoity, bestätigt. Der jetzige Präsident von Südossetien, Anatolij Bibilow, der sich gerade im Wahlkampf befindet und nach der Wahl Südossetien mit Russland vereinen will, wetterte: „Diejenigen, die jetzt versuchen, unsere Leute davon zu überzeugen, dass sie sich weigern sollen, an der Spezialoperation teilzunehmen, sind Lügner und Feinde.“
- Am 25. Februar wurden in Krasnodar in Südrussland ein Zugführer der Bereitschaftspolizeikompanie, also der berüchtigten Innenministeriumstruppen, und elf seiner Untergebenen entlassen, weil sie sich weigerten, in die Ukraine zu gehen. Das berichtet die Menschenrechtsgruppe Agora und der Nachrichtendienst Kavkaz Realii.
- Das Internet-Magazin aus Chakassien (Sibirien), Nowyj Fokus, berichtet von elf Mitgliedern der „Nationalgarde“, einer Art Bereitschaftspolizei, die nach den ersten Tagen des Krieges den Dienst verließen. Nachdem sie sich bei einem hochrangigen General beschwert hatten, wurden sie nach Hause geschickt, damit ihre Stimmung nicht weiter verbreitet wird. Sie wurden zu strengster Geheimhaltung verpflichtet.
- Der Telegramm-Kanal Gratie berichtet, dass sich 80 russische Marinesoldaten nach ihrer Landung im Gebiet Cherson in der Südukraine geweigert haben, am Krieg teilzunehmen. Unter ihnen waren Wehrpflichtige, die nicht länger als ein Paar Monate gedient hatten, einige von ihnen hatten es noch nicht einmal geschafft, den Fahneneid abzulegen.
- Am 28. März weigerten sich 58 Soldaten aus dem Kaliningrader Gebiet, als sie in Belgorod, unmittelbar an der Grenze zur Ukraine angekommen waren, in den Krieg zu ziehen. Das war, nachdem sie Berichte von zurückkehrenden Soldaten gehört hatten. Diese Meldung hat das russische Verteidigungsministerium weder bestätigt noch dementiert. https://www.rf-news.de/2022/kw17/dienstverweigerung-russischer-soldaten-in-der-ukraine
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Schutz und Asyl bei Kriegsdienstverweigerung und Desertion in Zeiten des Ukraine-Krieges
24.03.2022
In Russland und Belarus entziehen sich Menschen dem Einsatz im völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine. Auch in der Ukraine gibt es Kriegsdienstverweigerer. Trotz internationaler Beschlüsse zur Kriegsdienstverweigerung und trotz Regelungen zur Verweigerung völkerrechtswidriger Kriege im EU-Recht, fallen deutsche Asylentscheidungen anders aus
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Kriegsdienstverweigerung und Desertion
Belarus, Russische Föderation und Ukraine
Immer mehr Menschen in Russland und Belarus wollen sich am völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukraine nicht beteiligen. Und auch in der Ukraine gibt es Kriegsdienstverweigerer. Aufgrund eindeutiger Regelungen zur Verweigerung völkerrechtswidriger Kriege im EU-Recht und internationaler Urteile und Regelungen, die ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung anerkennen, müssen diese Personengruppen Asyl erhalten.
Der aktuelle Krieg in der Ukraine ist ein Angriffskrieg von Russland, den die UN-Generalversammlung am 2. März 2022 verurteilte. Der Einsatz des ukrainischen Militärs ist damit zugleich völkerrechtlich legitimiert.
Für alle Seiten gilt, dass das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung, wie es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2011 festgestellt hat, Gültigkeit haben muss!
Soldaten und Soldatinnen, die sich auf der Seite Russlands oder Belarus an diesem Krieg beteiligen, sind Teil eines völkerrechtswidrigen Einsatzes. Wenn sie sich dem Dienst entziehen, verweigern oder desertieren, müssen sie mit Strafverfolgung rechnen. Das kann einen Schutz nach der EU-Qualifikationsrichtlinie begründen.
Aber auch in der Ukraine gibt es Kriegsdienstverweigerer, die sich aus unterschiedlichen Motiven heraus nicht an den Kämpfen beteiligen wollen. Und für alle Seiten gilt, dass das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung, wie es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2011 festgestellt hat, Gültigkeit haben muss.
PRO ASYL – Preis an André Shepherd
André Shepherd entzog sich seinem Dienst in der US-Armee, um nicht nochmals im Irak-Krieg eingesetzt zu werden und stellte 2008 einen Asylantrag in Deutschland
Derzeit erhalten alle ukrainischen Staatsbürger, die bis zum 24. Februar 2022 in der Ukraine gemeldet waren, einen humanitären Aufenthalt in der Europäischen Union. Das ist erfreulich. Bezüglich der Kriegsdienstverweigerer ist jedoch zu bedenken, dass mit Auslaufen dieser Regelung die Frage relevant sein wird, ob und wie Kriegsdienstverweigerer in der Ukraine verfolgt werden.
Obergerichtliche Entscheidungen
In den vergangenen 15 Jahren gab es zu Asylgewährung bei Kriegsdienstverweigerung oder Desertion einige bemerkenswerte Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofes.
2004 wurde die EU-Qualifikationsrichtlinie vorgelegt, die definierte, wer als Flüchtling anerkannt werden kann und wem subsidiärer Schutz zusteht. Mit der aktuell gültigen Richtlinie von 2011 sollen die geschützt werden, die sich einem völkerrechtswidrigen Krieg oder völkerrechtswidrigen Handlungen entziehen und mit Verfolgung rechnen müssen. Ein grundsätzlicher Schutz für Kriegsdienstverweigerer ist damit aber nicht festgelegt.
- 2011 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Fall Bayatyan gegen Armenien, dass die Verurteilung eines Kriegsdienstverweigerers Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), also das Recht auf Gedanken‑, Gewissens- und Religionsfreiheit, verletzt. Es erkannte damit zugleich das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung an (Entscheidung vom 7. Juli 2011, Antrag Nr. 23459/03).
- 2014 legte der UNHCR die überarbeiteten Richtlinien zum Internationalen Schutz Nr. 10 vor, in denen die Behandlung von Anträgen auf Flüchtlingsstatus bezüglich Militärdienst im Zusammenhang mit der Genfer Konvention behandelt wird.
- 2013 beschloss der UN-Menschenrechtsrat eine Resolution, in der er die Staaten ermutigt, für jene Militärdienstverweigerer, die wegen ihrer Verweigerung in ihrem Herkunftsland wohl begründete Verfolgung befürchten müssen, die Gewährung von Asyl zu erwägen: UN Human Rights Council. A/HRC/RES/24/17, 27. September 2013.
- 2015 stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Fall des US-Deserteurs André Shepherd fest, dass sich „alle Militärangehörigen einschließlich des logistischen und unterstützenden Personals« auf die Regelung der Qualifikationsrichtlinie beziehen können, mit der diejenigen einen Flüchtlingsschutz erhalten sollen, die wegen ihrer Weigerung, sich an völkerrechtswidrigen Handlungen oder Kriegen zu beteiligen, Verfolgung befürchten müssen. Nach Auffassung des Gerichts fiel auch die Instandsetzung von Hubschraubern darunter, die im Kriegsgebiet eingesetzt wurden. Shepherd war Mechaniker für Hubschrauber in der US-Armee und desertierte 2007, nachdem öffentlich geworden war, dass Soldaten im Irak aus den Hubschraubern heraus auf Zivilisten geschossen hatten. Zugleich legte der Gerichtshof hohe Maßstäbe an, ob die Einsätze der Hubschrauber tatsächlich Kriegsverbrechen waren. Und zuletzt machte der Gerichtshof deutlich, dass der Antragsteller zunächst in ein Verfahren zur Kriegsdienstverweigerung gehen müsse, wenn ihm dieses zur Verfügung stehe.
- 2020 stellte der Europäische Gerichtshof im Fall EZ, einem syrischen Militärdienstentzieher, fest, dass es in bestimmten Fällen unerheblich sein kann, ob der Betroffene vor dem Einsatz nachweisen kann, dass er in Kriegsverbrechen verwickelt werden würde. Das Gericht entschied, dass es »in einem Kontext eines allgemeinen Bürgerkriegs, der durch die wiederholte und systematische Begehung von Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch die Armee unter Einsatz von Wehrpflichtigen gekennzeichnet ist, unerheblich (sei), dass der Betroffene sein zukünftiges militärisches Einsatzgebiet nicht kenne«. Zudem stellte der EuGH fest, »wenn im Herkunftsstaat die Möglichkeit der Verweigerung des Militärdienstes gesetzlich nicht vorgesehen ist, dem Betroffenen nicht entgegengehalten werden kann, dass er seine Verweigerung nicht in einem bestimmten Verfahren formalisiert hat und aus seinem Herkunftsland geflohen ist, ohne sich der Militärverwaltung zur Verfügung zu stellen«.
Trotz dieser gerichtlichen Entwicklungen ist nach wie vor nicht sicher, dass Kriegsdienstverweigerer auch den notwendigen Schutz erhalten.
Appell an den Deutschen Bundestag?
Breites Bündnis fordert Schutz und Asyl für Deserteure und Kriegsdienstverweigereraus Russland, Belarus und der Ukraine
Dienstag, 29 März, 2022 | Aktuell, Archiv, Presse, Startseite | Redaktion
In einem gemeinsamen Appell an den Deutschen Bundestag fordert ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis den Bundestag und die Bundesregierung auf, sowohl russischen und belarussischen als auch ukrainischen Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren Schutz und Asyl zu gewähren. Deutschland und alle anderen EU-Länder müssen diese Menschen, die vor dem Kriegseinsatz fliehen, unbürokratisch aufnehmen und ihnen ein dauerhaftes Bleiberecht ermöglichen – und auch dafür sorgen, dass das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung anerkannt wird.
Der Flüchtlingsrat M-V e.V. ist Teil dieses Bündnisses, das von Connection e.V. und PRO ASYL ins Leben gerufen wurde.
„Unser Ziel ist es, dass Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren aus dem Ukraine-Krieg unkompliziert Schutz und Asyl gewährt wird“, heißt es in dem Brief an die Bundestagsabgeordneten, der von Connection e.V., der Menschenrechtsorganisation PRO ASYL und rund 40 weiteren Friedens-, Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen aus ganz Deutschland unterstützt wird. Das Bündnis bittet die Bundestagsabgeordneten eindringlich, mit einem entsprechenden Antrag – möglichst überfraktionell – die Bundesregierung mit diesem Schutz für Deserteure und Kriegsdienstverweigerer zu beauftragen. Leider ist dieser Schutz bisher nicht garantiert.
Deserteure aus der Russischen Föderation und Belarus
Nach derzeitigem Stand müssen geflüchtete Deserteure und Verweigerer aus der Russischen Föderation und Belarus ins Asylverfahren gehen – mit ungewissem Ausgang. Denn die Verfolgung wegen Kriegsdienstverweigerung und Desertion gilt in Deutschland nach der Praxis von BAMF und Gerichten nicht ohne weiteres als Asylgrund.
Der Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine ist ein völkerrechtswidriger Krieg, unterstützt durch Belarus. Und deshalb gilt für russische und belarussische Soldatinnen und Soldaten, die sich dem Einsatz im Militär und somit dem möglichen Kriegseinsatz in der Ukraine entzogen haben oder desertiert sind, Artikel 9 der Qualifikationsrichtline der Europäischen Union: Denjenigen Menschen wird flüchtlingsrechtlicher Schutz zugesagt, die sich völkerrechtswidrigen Handlungen oder Kriegen entziehen und deswegen Bestrafung fürchten müssen (Artikel 9 Abs. 2e).
Gerichte und Behörden stellen oft unerfüllbare Anforderungen
Doch die Erfahrung sieht anders aus: Bisherige Asylverfahren, die sich auf Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie bezogen, haben gezeigt, dass deutsche Behörden und Gerichte sehr hohe Beweisanforderungen stellen, die viele der Betroffenen nicht erfüllen können. Dann droht ihnen Ablehnung und Auslieferung an die Kriegsherren.
So fordern deutsche Behörden und Gerichte von den betroffenen Männern zum Beispiel Einsatzbefehle, die anstehende völkerrechtswidrige Handlungen belegen – was in der Praxis aber schier unmöglich ist. Und auch das Recht, den Kriegsdienst zu verweigern, ist in beiden Ländern eingeschränkt.
Ausreiseverbot aus Ukraine widerspricht Menschenrechtskonvention
Auch in der Ukraine wird nur ein kleiner Teil der Kriegsdienstverweigerer anerkannt – zu ihnen zählen Mitglieder von kleinen Religionsgemeinschaften wie beispielsweise den Zeugen Jehovas. Wer nicht einer solchen Religionsgemeinschaft angehört, dem wird eine Anerkennung versagt. Auch Reservisten und Soldaten haben keine Möglichkeit der Antragstellung. Zudem widerspricht das derzeit geltende Ausreiseverbot für Männer zwischen 18 und 60 Jahren dem4. Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention, wonach es jeder Person „freisteht, jedes Land einschließlich seines eigenen zu verlassen“.
Kriegsdienstverweigerung ist ein Menschenrecht, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2011 feststellte. Diesem Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung muss in allen Ländern, auch in denen, die sich im Krieg befinden, Geltung verschafft werden. Wer aus Gewissensgründen den Dienst mit der Waffe ablehnt und dafür verfolgt wird, muss geschützt werden.
Zwar genießen Menschen aus der Ukraine durch den EU-Ratsbeschluss zum vorübergehenden Schutz für zunächst ein Jahr einen sicheren Aufenthalt. „Bezüglich der Kriegsdienstverweigerer ist jedoch zu bedenken, dass mit Auslaufen dieser Regelung die Frage relevant sein wird, ob und wie Kriegsdienstverweigerer in der Ukraine verfolgt werden“, heißt es in dem gemeinsamen Appell der Organisationen.
Denn auch hier zeigt die Erfahrung: In den vergangenen Jahren waren bereits mehrere Hundert Verweigerer aus allen Teilen der Ukraine nach Deutschland gekommen, um hier Schutz zu finden. Die meisten wurden aber in den Asylverfahren abgelehnt.
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Broschüre:
Desertion, Flucht, Schutz
Kriegsdienstverweigerung und Asyl
Hintergründe, Stellungnahmen, Rechtsgrundlage
Rudi Friedrich – Einleitung 3
Dr. Jens Warburg – Der Deserteur 9
Dr. Reinhard Marx – Kriegsdienstverweigerung im Flüchtlingsrecht 13
Rachel Brett – Internationale Standards zur Kriegsdienstverweigerung 23
Dokumentation
UN-Menschenrechtsrat – Entschließung zur Verweigerung des Militärdienstes 30
Europäische Union – Qualifikationsrichtlinie (Auszüge) 32
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte – Urteil Bayatyan gegen Armenien (Auszüge) 36
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte – Urteil Ülke gegen Türkei (Auszüge) 37
UN-Hochkommissariatf für Flüchtlinge (UNHCR)
bezüglich Militärdienst Richtlinien zu Anträgen auf Flüchtlingsstatus 39
UNHCR Auszug aus dem Handbuch 2011 41
Inhaltsverzeichnis
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Deutsche-Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen
Kriegsdienstverweigerung ist Menschenrecht!
Eine Vielzahl an europäischen Organisationen appelliert gemeinsam an das Europäische Parlament/die Parlamentarische Versammlung des Europarates, Schutz und Asyl für Kriegsdienstverweiger*innen und Deserteur*innen aus den am Krieg in der Ukraine beteiligten Staaten zu gewährleisten. Zum Appell
Unterstütze das Anliegen und unterzeichne jetzt die Petition zum Appell. Zur Petition
Appell
Beteiligte Organisationen fordern das Europäische Parlament/die Parlamentarische Versammlung des Europarates auf, folgende Punkte zu beschließen:
die Gültigkeit des Römischen Statutes, das im Artikel 25 die
individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit bei Vergehen gegen
Artikel 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen
sieht;
ausgestattete Angehörige der Streitkräfte keine
völkerrechtswidrigen Befehle erlassen dürfen;
– dass „das Recht auf Kriegsdienstverweigerung dem Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit innewohnt. Es gibt Individuen das Recht, von der Wehrpflicht befreit zu werden,
wenn diese nicht mit der Religion oder den Überzeugungen des Individuums zu vereinbaren sind.
Das Recht darf nicht durch Zwang beschränkt werden“, wie es das UN-Menschenrechtskomitee anerkannt hat;
– dass die Verweigerung des Militärdienstes auch unter die Garantien von Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention zur Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit fällt, wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seinem Urteil vom 7. Juli 2011 im Fall Bayatyan gegen Armenien festgestellt hat;
– die Bedeutung und Gültigkeit früherer Entschließungen und Empfehlungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates über das Recht auf Kriegsdienstverweigerung, darunter die Entschließung 337 (1967), die Empfehlung 816 (1977), die Empfehlung 1518 (2001) und die Empfehlung 1742 (2006). Und erinnert an die Resolution 1042 (1994) zu Deserteur*innen und Kriegsdienstverweiger*innen aus den Republiken des ehemaligen Jugoslawien;
– dass es nach internationalen Menschenrechtsstandards keine
Diskriminierung hinsichtlich der Art der religiösen oder
nicht-religiösen Überzeugungen von Kriegsdienstverweiger*innen
geben
darf; es darf keine Diskriminierung zwischen Gruppen von
Kriegsdienstverweiger*innen geben; und das Recht zur Verweigerung
gilt, wie es unter anderem vom OHCHR und dem UNHCR anerkannt wurde,
auch für selektive Verweiger*inne, die glauben, dass die Anwendung
von Gewalt unter bestimmten Umständen gerechtfertigt ist, aber nicht
unter allen Umständen;
Minister*innenkomitee des Europarats und
dem BDIMR der OSZE;
– dass der rechtliche Rahmen für die Kriegsdienstverweigerung
sowohl in Russland und Belarus als auch in der Ukraine nicht den
internationalen und regionalen Menschenrechtsstandards entspricht,
wie sie unter anderem vom OHCHR, dem UN-Menschenrechtskomitee, dem
UN-
Sonderberichterstatter für Religions- und Glaubensfreiheit,
dem BDIMR der OSZE, dem Europäischen Parlament, der
Parlamentarischen Versammlung und dem Ministerkomitee des Europarats
festgelegt wurden;
angemessene Regelung für die Kriegsdienstverweigerung gibt“;
– dass russische und möglicherweise auch belarussische
Soldat*innen den Dienst in einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg
verweigern;
Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den
Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen festgelegt sind,
widerspricht;
die Erklärung des UNHCR, dass „in Fällen, in denen ein
bewaffneter Konflikt als völkerrechtswidrig angesehen wird, es nicht
notwendig ist, dass Antragsteller*innen „auf internationalen
Schutz“ der Gefahr unterliegt, individuell strafrechtlich zur
Verantwortung
gezogen zu werden;
Das Europäische Parlament/Die Parlamentarische Versammlung des Europarates fordert daher die Europäische Kommission und den Europäischen Rat/Europarat auf:
sicherzustellen, dass russische und belarussische Soldat*innen, die sich dem Einsatz im Militär und somit dem möglichen Kriegseinsatz in der Ukraine entzogen haben oder desertiert sind, in den Mitgliedsstaaten entsprechend der Qualifikationsrichtlinie Asyl gewährt wird;
die Mitgliedsstaaten aufzurufen, Programme und Projekte zu entwickeln, die Deserteur*innen und Militärdienstentzieher*innen Möglichkeiten zur Aus- und Weiterbildung bieten.
Den Appelltext als PDF mit Quellenangaben Weiterleiten
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Initiator*innen
International Fellowship of Reconciliation (IFOR) Weiterleiten
War
Resisters’ International (WRI) Weiterleiten
European Bureau for Conscientious Objection (EBCO)
Weiterleiten
Connection
e.V Weiterleiten
Unterstützer*innen
Agir pour la Paix, Belgien
Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF), Deutschland
Aktive Arbeitslose Österreich, Österreich
Aseistakieltäytyjäliitto ry, Finnland
Association of Conscientious Objectors, Athens, Griechenland Association of Women’s Rights “To Mov”, Athens, Griechenland
#aufstehn, Österreich
Begegnungszentrum für aktive Gewaltlosigkeit, Österreich
BOCS Civilization Planning Foundation, Hungary
Bund für Soziale Verteidigung, Deutschland
Bundesvereinigung Opfer der NS-Militärjustiz e.V., Deutschland
Center for Global Nonkilling
Centre pour l’Action Non-Violente (CENAC), Schweiz
Church and Peace; Comité National d’Action pour la Paix et la Démocratie (CNAPD), Belgien
Conscience and Peace Tax International
Coordinadora 12-D „En Pie de Paz“, Spanien
Coordinamento Nazionale Comunità Accoglienti (CNCA), Italien Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Deutschland
Europäisches Bürger_innenforum/Le Forum Civique Européen (EBF/FCE) Europäische Kooperative Longo mai
Ev. Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden (EAK), Deutschland
Fellowship of Reconciliation England and Scotland
FemArtAct, Athens, Griechenland
Forum Nord Sud, Belgien
Friedensbüro Salzburg, Österreich
Giuristi Democratici, Italien
Heavenly Culture, World Peace, Restoration of Light, Österreich
International Center for Civil Initiatives “Our House”, Belarus
Internationale der Kriegsdienstgegner*innen e.V. (IDK), Deutschland Internationaler Versöhnungsbund Österreich
Kerk en Vrede, Niederlande
Kinisi Ethelonton Service Civil International Ellas (SCI-Hellas), Griechenland
Lebenshaus Schwäbische Alb, Deutschland
Mambrú, Spanien
Mouvement Chrétien pour la Paix, Belgien
Mouvement International de la Réconciliation – MIR France; Movement for Conscientious Objection, Russland
Moviment d’Objecció de Consciència (MOC València), Spanien Movimento Internazionale della Riconciliazione – MIR, Italien
Movimento Nonviolento, Italien
Network of Women in Black in Serbia
Netzwerk Friedenssteuer e.V.
Pacífistas Ciudad Real, Spanien
Pax Christi Österreich
Pax Christi Deutschland
Pax Christi International
Pax Christi Vlaanderen, Belgien
Payday men’s network (UK-US)
Proterra Project Cooperation e.V., Deutschland
Republikanischer Anwältinnen – und Anwälteverein e.V. (RAV), Deutschland
Sadankomitea (Committee 100 Finland)
Service Civil International Österreich
Ukrainian Pacifist Movement
Un ponte per, Italien
Union Pacifiste, Frankreich
Vita Activa – Akademie für angewandte Arbeitslosigkeit, Österreich Vrede, Belgien
Vredesbeweging Pais, Niederlande
Weg des Friedens, Österreich
Women in Black, Belgrade, Serbien
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Fordern Sie die Europäische Union mit uns auf:
– Geben Sie Deserteuren und Verweigerern aus Belarus und der Russischen Föderation Schutz und Asyl!
– Fordern Sie die ukrainische Regierung auf, die Verfolgung von Kriegsdienstverweigerern einzustellen und ihnen ein umfassendes Recht auf Kriegsdienstverweigerung zu garantieren!
– Öffnen Sie die Grenzen für diejenigen, die sich unter hohem persönlichen Risiko in ihrem Land gegen den Krieg stellen! – Link zur Petition
Warum wir diese Petition starten: Seit mehr als einem halben Jahr führt die Russische Föderation einen Angriffskrieg in der Ukraine, mit verheerenden Folgen. Es scheint kein Ende in Sicht. Dabei wissen wir, dass sich auf allen Seiten Männer und Frauen den Verbrechen des Krieges entziehen. Zehntausende verließen die Russische Föderation und Belarus um nicht für den Krieg rekrutiert zu werden. Tausende verließen die Ukraine, weil sie ihr Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung in Gefahr sehen. Sie alle sind unsere Hoffnung für eine Überwindung der Gewalt.
Die Petition wurde initiiert von: Connection e.V., Internationaler Versöhnungsbund, War Resisters‘ International und dem Europäischen Büro für Kriegsdienstverweigerung.
zur Petition [ you.wemove.eu ]